Exkursion nach Mannheim und Heidelberg

Personen stehen vor den Eingängen zu einem massiven Betongebäude

Am 28. Juni standen wohl die Lieblingsziele der Archivschüler auf dem Plan, zumindest hatten das Marchivum in Mannheim und das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland mit deutlichem Abstand die Wahl der Exkursionsziele angeführt. Echtes Klassenfahrt-Feeling kam zunächst vor allem wegen der langen Busfahrt von ungefähr zweieinhalb Stunden auf. Doch die Geduld sollte sich schon beim ersten Archiv auszahlen: dem Marchivum. Zunächst überrascht vom martialischen Anblick des in einem ehemaligen Weltkriegsbunker gelegenen Archivs, wurde uns schnell klar, dass es doch, wie so oft im Leben, auf die inneren Werte ankommt.

Drei Personen stehen in einem Raum, eine hält ein Buch in der HandModernste Ausstattung und ein auf die digitale Welt zugeschnittenes Konzept, das sowohl die Öffentlichkeitsarbeit als zentralen Punkt ansieht als auch auf die finanzielle Eigenständigkeit des Hauses Wert legt, wussten uns zu überzeugen. Nach einer kurzen Stärkung und Begrüßung durch den Archivleiter, Herrn Dr. Nieß, sowie den Abteilungsleiter Historisches Archiv, Herrn Dr. Throckmorton, teilten wir uns auf. Beide Gruppen besuchten zeitlich versetzt die beiden aktuellen Dauerausstellungen im Marchivum. Im ersten Stock können Interessierte unter dem Titel „Typisch Mannheim!“ etwas zur Stadtgeschichte erfahren, im Stockwerk darüber liegt der Fokus auf der NS-Zeit in der Stadt mit der Frage „Was hat das mit mir zu tun?“.

Uns wurde schnell klar, dass beide Ausstellungen alles andere als gewöhnlich sind. Statt staubigen Akten zeigten sie fast alle Archivalien eingebunden in interaktive multimediale Installationen. So konnten u. a. jeweils zwei von uns auf einer originalgetreuen Nachbildung des „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“, des in Mannheim erfundenen ersten Autos, fahrend die zeitgenössischen Straßen der Stadt erkunden. Die virtuelle Umgebung basierte dabei auf historischen Stadtaufnahmen aus dem Archiv.

Im Stockwerk darüber stimmten uns Zeitzeugenberichte aus dem „Dritten Reich“ nachdenklich. Anhand der Überlieferung wird der Einfluss des Nationalsozialismus auf unterschiedlichste Mannheimer Bürger und deren Schicksal aufgezeigt. Dabei stellen Schauspieler die Zeitzeugenberichte szenisch dar.

Den Abschluss der Führung bildete der Blick in einen der Magazinräume. Hierbei zeigten sich die Vorteile des Bunkers auch für die Bestandserhaltung. Die eigentlich zur Bombenabwehr angelegten Wände halten die Temperaturen konstant kühl und Feuchtigkeit fern. Damit endete der sehr interessante erste Programmpunkt leider schon, denn der Bus wartete, um uns eine Stadt weiter nach Heidelberg zu bringen.

Personen sitzen und stehen um einen Tisch und betrachten interessiert ein ArchivstückDort angekommen wurden wir wieder äußerst gastfreundlich vom Leiter des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Dr. Ittai Joseph Tamari, empfangen. Nach einer kurzen Erfrischung mit Heiß- und Kaltgetränken wurden wir durch die Räumlichkeiten des Archivs geführt. Neben spannenden religionsphilosophischen Perspektiven konnten wir auch noch zwei besondere Stücke bewundern. Zunächst einen massiven Tisch aus Zypressenholz, durch dessen ätherische Öle auch besonders gut Schädlinge abgehalten werden, auf dem ein Spruch aus der Tora eingraviert ist. Ebenjener Spruch ist die Fortsetzung eines Bruchstücks einer 1938 geschändeten Torarolle, die später ins Archiv gelangte und neben dem Tisch hängt. Während des Rundgangs erhielten wir Einblicke in die Problematik der Überlieferungsbildung im Zentralarchiv. Für die jüdischen Gemeinden besteht keine generelle Abgabepflicht, Misstrauen gegenüber deutschen Behörden und eine relative Autonomie machen die Aufgabe weiter schwierig. Im Anschluss, nun bei belegten Brötchen, informierte uns Dr. Tamari auch über die Geschichte und Entwicklung des Judentums in Deutschland seit der Römerzeit, wobei er uns neue Sichtweisen auf dieses breitgefächerte Thema eröffnete. Zum Abschluss präsentierte man uns noch ein paar ganz besondere Archivalien. Es handelt sich dabei Kataloge aus dem Ghetto Lodz, in dem die Internierten Handwerksarbeiten vollziehen mussten und ihre Dienste für die Nazis in propagandistischer Manier angeboten wurden. Wegen vorangeschrittener Zeit mussten wir uns dann leider schon auf den Rückweg nach Marburg machen, welches wir nach langer Fahrt wohlbehalten erreichten.

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