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Exkursionsberichte: Rundgänge zur Tektonik der Rechtsgeschichte durch Marburg

01. Juli 2025

Drei Frauen sitzen im Freien auf hohen Stühlen. Vor ihnen stehen Pulte.

Der 59. Wissenschaftliche Lehrgang und der 62. FH-Lehrgang waren unterwegs: Auf Exkursionen zur Veranstaltung "Tektonik der Rechtsordnung“.

Bericht des 59. Wissenschaftlichen Lehrgangs:

Der erste Stopp des Rundgangs am 16. April 2025 war die erste Archivschule Marburgs an der Kugelkirche. Dort angekommen referierte unser Kollege vom erhöhten Treppenaufstieg und in vollem Sonnenschein über die Entstehungsgeschichte der ersten Archivschule. Danach setzte die Gruppe ihren Rundgang zum Grimmhaus in der Wendelgasse 4 fort. 

Eine Gruppe Menschen steht im Freien auf einer Treppe. Seitlich sind Mauern und ein Gebäude zu sehen.

Dort erfuhren wir, dass die Gebrüder Grimm ab 1802 bzw. 1803 an der Universität Marburg Jura studierten. Einer ihrer Lehrer war Friedrich Carl von Savigny, welcher die Brüder über die Jurisprudenz hinaus auch an Werke der Romantik und des Minnesangs heranführte.

Im Anschluss führte der Rundweg zum Denkmal für die Opfer der Hexenverfolgung in Marburg mit dem Titel „Schuldig – Unschuldig“. Versammelt um das Denkmal hörte die Gruppe einen Vortrag zur Prozessführung, zu den Überführungsmethoden sowie der Rolle der Juristischen Fakultät der Universität Marburg, all das exemplarisch am Prozess und der Verurteilung der Katharina Lips. Im Anschluss wurde die spätere Rezeption der Hexenverfolgung in der Stadt erläutert.

Den Weg in Richtung Schloss fortsetzend hielt die Gruppe neben der Lutherkirche an der Zwingli-Treppe: Es gab jetzt zwei Vorträge über die Marburger Religionsgespräche zwischen Martin Luther und Ulrich Zwingli im Jahr 1529 auf Einladung Philipps des Großmütigen. Die Referentin sowie der Referent platzierten sich auf der Zwingli-Treppe und sprachen zur Gruppe.

Der nächste Stopp der Tour war das Wohnhaus des bereits erwähnten Juraprofessors Friedrich Carl von Savigny. Um 12 Uhr begannen die Vorträge – aufgrund des anhaltenden Glockenläutens der umliegenden Kirchen unter erschwerten Bedingungen – zu Savigny sowie zu seinem wissenschaftlichen Disput mit dem Rechtswissenschaftler Anton Friedrich Justus Thibaut über die Kodifizierung des Zivil-, Straf- und Prozessrechts, den sogenannten Kodifikationsstreit.

Nach einem weiteren fast endlosen Treppenaufstieg wurden schlussendlich das Marburger Landgrafenschloss und der ehemalige Hexenturm erreicht. Dort hörten wir Spannendes über das Marburger Stadtrecht und erfuhren, wie es der Marketingabteilung der Stadt problemlos gelang, aus 8 Jahren 200 zu machen, um in kurzer Reihenfolge gleich zwei große Stadtjubiläen zu feiern. Nach einem Gruppenfoto auf der Treppe des Hexenturms referierte unser Kollege über einen Mordfall an einer schwangeren Frau, welcher sich im 19. Jahrhundert in Marburg ereignete, über die Suche nach dem Täter sowie die Gerichtsprozesse. Der Vortrag stimmte nachdenklich, da in der Rezeption wieder einmal der Täter und nicht das Opfer im Mittelpunkt stand. Nach letzten Ausführungen von Prof. Henne über den Juristen und Politiker Sylvester Jordan vor seiner Gedenktafel begann der Abstieg zur wohlverdienten Mittagspause.

Ein paar Menschen stehen in einem halbdunklen Raum. An Wand und Decke sind Inschriften und Malereien zu sehen.

Nachdem die Gruppe sich durch Speisen, Getränke und den ein oder anderen Espresso gestärkt hatte, begann um Punkt 14 Uhr der zweite Teil der Exkursion. Den Auftakt der Vorträge bildete ein Beitrag über den Deutschen Orden und den Zehnthof vor der Elisabethkirche. Anschließend erläuterten unsere Kollegin sowie unser Kollege den Klostertod: Was folgte juristisch auf den Eintritt einer lebenden Person in einen Nonnen- oder Mönchsorden hinsichtlich der weltlichen Rechtsprechung und hinsichtlich der Rechtsfähigkeit?

Auf dem Weg zum letzten Stopp der Exkursion bei der Alten Universität durchquerte die Gruppe den alten Botanischen Garten. Dort angekommen trennten wir uns, denn ein Teil erhielt durch Dr. Carsten Lind eine Führung durch den studentischen Karzer der Alten Universität, während der andere Teil die letzten Vorträge hörte. Dazu betrachteten wir zunächst die Gedenktafel zur Ermordung von 15 Arbeitern durch Mitglieder des „Studentenkorps Marburg“ in Mechterstädt am 25. März 1920. Auf den Bronzestühlen neben der Universitätskirche referierten dann die Kolleginnen über die Hintergründe, Abläufe und Folgen dieses Ereignisses. Zum krönenden Abschluss wurde eine der größten Lügen Marburgs entlarvt: Der „Fronhof“ (Ecke Am Grün/ Universitätsstraße) war gar kein Fronhof! Unsere Kollegin klärte uns auf, dass der historische Fronhof schräg gegenüber diesem „Lügen-Gebäude“, das 1901 erbaut wurde, vermutet wird.

Abschließend versammelte sich die gesamte Gruppe wieder vor dem studentischen Karzer und wurde nach kurzer Verabschiedung durch Prof. Henne in die Osterfeiertage entlassen.

Sebastian Hansen und Claudia Lemmes

 

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Bericht des 62. Fachhochschullehrgangs:

Am 18. Dezember 2024, Mittwoch vor Weihnachten, begab sich der 62. FHL auf eine Zeitreise durch Marburg. Mit einem Klappstuhl und einem Farbeimer im Gepäck besuchten wir bei gelegentlichem Regen und unter windigen Bedingungen mit Herrn Henne verschiedene Orte der Rechtsgeschichte.

Zwei Menschen stehen im Freien vor einem Schaufenster beziehungsweise vor der Einmündung einer Gasse und halten Zettel in der Hand. Eine der Personen hat einen Regenschirm aufgespannt.

Um die Vorträge zu den Themen, die bereits in Herrn Hennes Veranstaltung „Tektonik der Rechtsgeschichte“ behandelt worden waren, anschaulicher zu gestalten, wurden beispielsweise Materialien herumgegeben oder sogar Szenen nachgestellt. Ob man hier wohl schon von Reenactment sprechen könnte? So lauschten wir am Haus der Gebrüder Grimm einem Gespräch zwischen Jacob und Wilhelm höchstpersönlich, die ihr Leben und Wirken noch einmal gemeinsam rekapitulierten.

Am Haus von Savigny erlebten wir eine weitere nachgestellte Szene: Erneut mit Jacob, aber diesmal traf er Friedrich Carl von Savigny. Hier fanden auch der Klappstuhl und der Farbeimer ihre Verwendung. Friedrich ließ sich lautstark über die Thesen von Thibaut aus („So ein Idiot!“) und stellte schließlich eigene Thesen auf, die Jacob für ihn mit einer Feder in einem Notizbuch festhielt.

Eine Frau sitzt im Freien auf einem Stuhl und hält Zettel in der Hand. Im Hintergrund steht ein Gebäude mit Graffitis, an dem eine andere Frau malt.

In der Zwischenzeit überstrich eine Malerin endlich jedenfalls symbolisch die Verunstaltungen (Graffitis) an Savignys Haus. Nach dem Ende der Vorführung gab es noch eine kleine Überraschung für den Kurs: Im Farbeimer hatte „Herr von Savigny“ Erdnüsse, Mandarinen und Schokoengel versteckt, um uns den Ausflug zu versüßen.

Menschen stehen im Freien auf einer Treppe. Im Hintergrund sind eine Mauer, ein Gebäude und ein Efeu zu sehen.

Beim Hexenturm baten wir eine freundliche Passantin, ein Foto von uns zu machen und es hieß, die Kleineren sollen auf die Treppe gehen. „Vielleicht nicht ZU hoch!“, rief Herr Henne, als wir fast schon an der Eingangstür standen.

Nach einer Mittagspause im Café Early ging die Reise weiter. Vor dem Landgrafenschloss unterhielten sich zwei Bürgerinnen über das Marburger Religionsgespräch. „Ich wünschte, ich könnte dabei sein. Ich würde so gerne Luther einmal sehen!“, betonte eine der Bürgerinnen, die offenbar Fan von Martin Luther war.

Auch nach diesem Vortrag gab es einen kleinen Snack in Form von gefüllten Oblaten. Ein schöner Trost, da wir zu diesem Zeitpunkt wegen des starken Windzugs ziemlich durchgefroren waren.

Zwei Frauen stehen im Freien vor einer Treppe und haben Zettel in der Hand.

Am Marktplatz hielten wir einen Moment an der Statue von Sophia von Brabant inne und erinnerten uns an Siegelkunde zurück, wo wir genau diese Siegel, die dort zu sehen sind, behandelt hatten.

Herr Dr. Lind, stellvertretender Leiter des Universitätsarchivs, begrüßte uns in der Alten Universität mit den Worten, dass es in dem Gebäude aussähe wie bei Harry Potter. Anschließend durfte ein Teil unserer Gruppe den Uni-Karzer besuchen. Da der Zugang leider begrenzt ist, hörten die anderen in der Zwischenzeit einen Vortrag und konnten sich den Karzer digital anschauen.

Der ereignisreiche Tag endete mit einem letzten Vortrag am Deutschordenshaus, von wo aus der Großteil unserer Gruppe sich schließlich aufmachte, um noch letzte Vorbereitungen für das Weihnachtsfest und die Reise in die Heimat vorzunehmen.

Sina Peter und Regina Reisch